Am Freitagabend hat mich ein Freund mit zu einer Weinprobe genommen. Veranstaltet wurde sie von "Les Rouges du Midi Hamburg". Bei den Betreibern handelt es sich um zwei Freunde, die aus Ihrer Leidenschaft für südfranzösische Rotweine ein zweites berufliches Standbein gemacht haben. Beste Voraussetzungen also, einmal etwas über die Weinauswahl direkt vom Importeur zu erfahren.

Wir fahren ins Hamburger Gewerbegebiet Veddel. Kein Schild kündigt den Weinhandel an, denn ein Ladenlokal gibt es nicht. Die Weinprobe findet in einem Musikstudio statt. Ganz unkompliziert und unmoderiert findet sie in der kleinen Küche statt. Für 2 Euro kann man bis zu 10 Weine probieren, wer alle Weine kosten möchte, zahlt 4 Euro. Ich habe keine zehn geschafft.

Es gibt Zettel mit kurzen Beschreibung des Weins, teilweise schon Degustationsnotizen versehen. Ich brauche ein paar Weine, um meine Nase auf die richtige Fährte zu bringen. Nach anfänglichem Zögern meldet sie mir feine Nuancen von Lakritz, Ananas, Honig, Beeren - je nach Wein. Das schöne an einer Weinprobe: Vergleichsmöglichkeiten. Ein Wein hallt länger nach, ein anderer ist unkompliziert, wieder ein anderer hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Die Preise der Weine liegen zwischen 5,95 (ein Sonderangebot) und 17,- Euro. Unsere Gastgeber können eine Menge über Wein erzählen, kennen die Weingüter, deren Weine sie verkaufen gut. Mein Begleiter und ich haben irgendwie nicht den gleichen Geschmack, was nicht weiter schlimm ist. Als eingefleischter Bordeaux-Fan (ich habe dort mal drei Monate verbracht) gehe ich ein wenig mit Skepsis in diese Weinprobe, denn das Image der Midi-Weine ist in meiner Vorstellung immer noch von Tetrapaks der Marke "Maître de la Tanke" und "Chateau Migraine" geprägt. Natürlich weiß ich, dass sich im Süden Frankreichreis in den letzten 15 Jahren sehr viel verändert hat, aber ein Negativ-Image hält bekanntlich lange.

Ich entdecke für mich einige Perlen, die meinen bescheidenen Weinbestand hervorragend ergänzen werden. Geprägt von eher schweren Rotweinen begeistere ich mich an diesem Abend für einen "Rabassière 2003 (Collines du Bourdic)", einen unglaublich weichen Syrah. Aus der Domaine Bourdic gefällt mir außerdem der "Grenache fut 2003", dem man die 14,5 % Alkohol nicht unbedingt gleich anmerkt und der verglichen mit meinem Weinbestand auch eher weich daherkommt. Der dritte Wein, den ich später mit nach Hause nehme ist der "Domaine des Grécaucx - Hemera 2002" aus dem Languedoc. Bei dem Wein erschnuppere ich in erster Linie Honig. Die Zunge signalisiert mir so viele Geschmacksnuancen, dass ich ganz begeistert bin. Sehr tief, vielfältig, nachhaltig. Nicht ganz in Worte zu fassen für mich, aber ich bin auch kein Profi-Weinverkoster.

Zum Schluss (eigentlich hätte er Weiße die Weinprobe bei mir einleiten sollen ...) probiere ich noch einen "Les Collines du Bourdic Viognier 2005", der 2006 die Silbermedaille für landwirtschaftliche Produkte in Paris erhielt. Lt. dem Gastgeber "ein Weißwein für Rotweintrinker". Ich rieche Ananas und Honigmelone. Der Wein schmeckt sehr intensiv und würde auch prima als Aperitif passen. Von der Intensit?t erinnert er mich an Weine, die mit dem Prinzip der Umkehrosmose "verstärkt" werden. Bei diesem Wein war das nicht nötig. Das Klima auf den Hügeln, umgeben von Thymian und Rosmarin, behagt der Viognier-Traube, die nicht so ganz pflegeleicht ist. Die Erträge dieser Rebsorte sind gering. Ende der 60er wurde sie gerade mal auf 14 ha angebaut. Inzwischen erfreut sich die Traube wieder wachsender Beliebtheit. Definitiv ein Wein für mich.

Eine sehr nette, unprätenziöse Weinprobe, bei der man im Anschluss die Weine auch kaufen kann. Das Lager der Weinhändler befindet sich nämlich vor Ort. Beim nächsten Mal werde ich die Weine probieren, die ich diesmal nicht geschafft habe. ?brigens: Teilnehmen kann man nur nach Anmeldung!