Analogkäse - ein Käseimitat
Von Claudia am Mai 23, 2009 | In Fundstücke, News, Käse

Käse darf er nicht heißen, das würde in die Irre führen. Wenig schmeichelhafte Namen sind Analogkäse, Käseimitat oder Kunstkäse. Die Hersteller nennen ihn nüchtern "Gastromix" oder vollmundig "Pizzamix". Gemein ist ein Produkt, das aussieht wie geriebener Käse und genauso verwendet werden soll, nämlich in Aufläufen und auf Pizzen. Aufmerksam wurde ich durch den Artikel zum Frontal-21-Beitrag im ZDF. Jetzt habe ich den Käse erstmals in der Metro in Augenschein genommen.
Der Käse wird gerieben in Großpackungen zu 1 oder mehr Kilo angeboten. Woraus besteht der Kunstkäse? Lt. Etikett sind folgende Zutaten drin: Wasser, Pflanzenöl, Weizenstärke, Labkasein, Stabilisator E1420, emulgierende Salze E450, E331, Aroma, Konservierungsmittel Sorbinsäure, Farbstoff B-Karotin, Trennmittel: Kartoffelstärke.
Eine Liste mit Produkten, in denen Analog-Käse verwendet wird, hat jetzt die Verbraucherzentrale Hamburg herausgegeben. Viele Produkte sind es noch nicht, denn es ist leider nicht einfach den Kunstkäse zu enttarnen, er steht nicht explizit auf der Zutatenliste, sondern verbirgt sich hinter den Zutaten Pflanzenöl, pflanzliches Fett und Milcheiweiß. Zwar werden auch Verbraucherprodukte wie etwas ein Cordon Bleu vom Discounter Penny aufgeführt, das Hauptproblem sind aber eigentlich die Gastronomieprodukte, die den hart kalkulierenden und skrupellosen Gastronom im Blick haben. In kaum einer Pizzeria oder einer Bäckerei würde man Reklame damit laufen, dass man nur ein Käseimitat auf der leckeren Pizza oder der Käsestange hat. Ein recht dreister Trick führt den Verbraucher zusätzlich in die Irre: Damit der Verbraucher nicht misstrauisch wird, wenn bei einem Käsegericht kein Käse in der Zutatenliste auftaucht, wird eine minimale Menge normalen Käses verwendet und steht dementsprechend auf der Verpackung. Meist in Mengen von 1-10 Prozent.
3,15 Euro kostet ein Kilo des Käseersatzes regulär im Großhandel, ein "Pizzamix" der Euro Cheese Vertriebs-GmbH mit 50% Käse und 50% "Pflanzenfettbasis" gab es heute im Angebot für 2,79 Euro das Kilo in der praktischen 2-kg-Packung. Ein richtiger Käse kostet ca. 30-100% mehr. Das mag bei einem Kilo noch nicht ins Gewicht fallen, aber bei mehreren Kilo täglich, summiert sich das in der Woche, im Monat, im Jahr auf hunderte Euro, die auf das Gewinnkonto des Gastronomen fließen.
Es sind aber nicht nur finanzielle Gründe, die den Kunstkäse "attraktiv" machen. Bei wikipedia findet sich im Artikel zum Analogkäse die Angabe, dass dieser "Käse" bis zu 400° C Hitze verträgt. Als Vergleich: Teflon schmilzt bei 327 Grad und jeder, der schon einmal etwas mit Käse überbacken hat weiß, dass man aufpassen muss, dass Käse ab 200 Grad nicht verbrennt. Für Prozenten von Fertig-Gerichten heißt das, dass sie ihre Kunstprodukte viel schneller am Fließband herstellen können.
Die Autoren des Frontal-21-Beitrages gehen von schätzungsweise 100.000 Tonnen produziertem Analogkäse pro Jahr aus.
Was kann der Verbraucher tun? Bei bereits gebackenen Gerichten wie Käsebrötchen, Aufläufen oder Pizza ist es schwer bis unmöglich, einen Unterschied zu schmecken - schreibt jedenfalls das hessische Landeslabor auf seinen Seiten (links siehe unten).
Die Zusammensetzung von Fertigprodukten genau lesen und bei niedrigen Preisen misstrauisch sein. Ein Nachfragen in Bäckereien vor dem Kauf eines Käsebrötchens kann sinnvoll sein, ich bezweifel aber, dass die Verkaufskraft hinterm Tresen darüber informiert ist, was in dem Brötchen ist. Außerdem kann man natürlich auch meine Philosophie anwenden: Selbermachen ist leckerer, meist günstiger und man weiß, was drin ist. Das gilt ganz besonders für Käsebrötchen und Pizza.
Die Links zum Analogkäse:
Analogkäse bei Wikipedia
Käseimitat bei der Verbraucherzentrale Hamburg
PDF mit Produkten, in denen Analogkäse verwendet wird
Ahnungslose Verbraucher - Hersteller täuschen mit Kunstkäse beim ZDF
Käseverordnung in Deutschland (Pdf)
Verbraucher-Information zu "Schummelkäse" vom hessischen Landeslabo
Alles Käse? - FAZ-Artikel vom 29.4.09 (Wobei der Schlusssatz: "Für Pizzabäcker, die den falschen Käse weiterhin verwenden, gilt: Die Verbraucher müssen nicht um ihre Gesundheit fürchten ? nur die Milchbauern um einen Absatzmarkt" den gesamten Artikel ad absurdum führt ...)
Mein Bericht (inkl. Fotos) zum Thema Schinkenimitat
19 Kommentare




Nicht dass Missverständnisse aufkommen: Ich bin keine Veganerin ;-) Für vegetarische Freunde kochen kann ich, aber der Verzicht auf alles tierische einschließlich Käse, Sahne und Lederschuhe wäre mir unmöglich.

@ute-s: Oh, vielen Dank für den Hinweis! Das habe ich doch glatt nicht bedacht.





Gruß Dirk


@Berit: Ganz ehrlich: Diese Packung unterscheidet sich nicht von den normalen Tüten mit geriebenem Käse im Großhandel. Ich finde das alles recht seelenlos. Aber die Vorstellung, dass da gar kein Käse drin ist, ist schon sehr eklig.
@Birte: Ja, nach der Lektüre solcher Bücher wird man zum Anhänger von Subsistenzwirtschaft ...
@Gourmet: Das schlimme ist doch, dass es vielen Menschen egal ist, was da drin ist. Hauptsache viel und fettig. Klar, mit 1,99 Euro wird's schwer 3 Pizzen selbst zu machen. Die, die das kaufen, wissen doch noch nicht einmal, wie man eine Pizza selbst macht.
@Mestolo: Ja, wir sind europaweit die Sparbrötchen der Union. Ich glaube die Kluft wird auch beim Essen immer weiter auseinandergehen: Auf der einen Seite die, die viel Geld für Lebensmittel und Genuss ausgeben, auf der anderen Seite die, die sich von Fertiggerichten aus dem Discounter ernähren. Und genau da werden wir in Zukunft noch häufiger von Skandalen und Betrügereien hören.



mfg Emkay

Ich kann verstehen, dass man, wenn man Käse aus Kuhmilch erwartet (oder von mir aus, aus einer anderen Sorte Milch) natürlich enttäuscht ist von Analogkäse, aber ich verstehe nicht so ganz, wieso denn nun so viele Kommentatoren dies "eklig" finden.
Im Grunde ist der Analogkäse zum Milch-Käse doch nur wie Margarine zur Butter. Und obwohl das natürlich Geschmackssache ist, ob man Margarine mag oder nicht, ich glaube niemand hier würde sie als "eklig" bezeichnen.
Ich denke mal, wieso der Analogkäse so schlecht ankommt, ist vor allem die negative Medienpräsenz. Prinzipiell finde ich die Idee sich auch einen veganen Käse aus dem Supermark aussuchen zu können garnicht verkehrt. Natürlich im Idealfall aus hochwertigen Zutaten hergestellt :)
So wie eben manche doch lieber Margarine auf ihr Brötchen schmieren und dafür nichtmal Vegetarier/Veganer sein müssen.
Lieben Gruß

im gegenteil ;)
ich als veganerin kann jedem menschen nur diese seite und deren produkte empfehlen: http://www.daiyafoods.com/
100% analogkäse ohne tier!
YUMMIE
bunte grüße absentte


Analogkäse ist ecklig.. aber Milch aus den Brüsten einer anderen Spezies ist das nicht:-)
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